Die Philosophie und die Quellen des Nils

Wer bin ich, und wenn ja, wie viele? Mit diesem Buchtitel machte der Philosoph Richard Precht vor einiger Zeit in den Medien Furore. Die absichtlich (und werbewirksam) paradox gehaltene Frage verknüpft ganz alte philosophische Probleme mit neuen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen. "Wer bin ich", dahinter steckt nicht (nur) eine persönliche Identitätskrise, sondern die älteste philosophische Aufgabe überhaupt. "Erkenne dich selbst!" –  diese Suche ins eigene Ich  hatte das Orakel von Delphi und damit der Gott aller Künste, Apollon, den Menschen aufgegeben; und es waren die frühesten griechischen Philosophen, die sich damit beschäftigten. Immanuel Kant hat diese Aufgabe des Gottes in eine menschlich bescheidenere Frageform gegossen: Was ist der Mensch?

Wenn ja? – Wie kann man eine Frage nach dem Wer oder Was mit Ja oder gar Nein beantworten? Die Suche nach dem, was der Mensch ist, sein kann oder sein soll, hat eine Abenteuerreise eröffnet, bei der die Suche des Menschen nach dem eigen Selbst so vielwegig schien, wie Expeditionen des 19. Jahrhunderts, die die Quellen des Nil aufspüren sollten. Zwischenzeitlich sah es so aus, als gäbe es sie nicht. Wenn ja? Das fragt danach, ob es ein Ich überhaupt gibt. Oder: ob es ein Ich überhaupt gibt.

Sigmund Freud hat das Ich in drei Teile geteilt: das Ich, das Es und das Über-Ich, anders ausgedrückt: das Bewusstsein, das Unterbewusstsein und das Gewissen. Seit ein paar Jahrzehnten macht sich die Hirnforschung über das menschliche Gehirn her und behauptet, dass der Mensch gar nicht von seinem Bewusstsein gesteuert wird, sondern dass verschiedene Hirnregionen gemeinsam die Identität des Menschen ausmachen. Wir erkennen das am Kleinkind, das erst mühsam lernen muss, "ich" zu sagen. Vorher aber weiß es vielleicht besser als der Erwachsene, dass "der Kevin Hunger hat", wenn wir hören möchten: "Ich habe Hunger". Nicht ich habe Hunger,  sondern etwas in mir hat Hunger.


Der Nil. Römische Skulptur, Vatikan, Photographie von Hans Weingarz (wikimedia commons)

Philosophie als Schulfach

Wir möchten unsere Schülerinnen und Schüler auf eine Expedition schicken nach den Quellen des Nil. Die Erkenntnisse mögen überraschend sein, oft auch schwer zu akzeptieren, manchmal auch schwer zu verstehen. Aber die Philosophie ist, dem griechischen Wortsinne nach, die Liebe zur Weisheit selbst. Das Wissen, das sie vermittelt, scheint auf den ersten Blick zu nichts nütze zu sein, und doch ist der Philosoph Sokrates für das Recht des Menschen, sich selbst zu denken, gestorben. Wer Philosophie betreibt, liebt das Denken selbst; und wer bereit ist, zu denken, der ist der Welt nicht einfach ausgeliefert sondern wird stark gemacht, ihr aus Eigenem Sinn zu geben.

Philosophie am Cato Bontjes van Beek Gymnasium

Philosophie kann in der elften und zwölften Jahrgangsstufe als zweistündiger Kurs gewählt werden. Grundsätzlich ist der Stoff in Module unterteilt, so dass jedes Halbjahr ein abgeschlossenes philosophisches Thema bietet. Wir beschäftigen uns mit Erkenntnistheorie (Was kann der Mensch erkennen und wie tut er das?), mit Ethik (Wie soll der Mensch handeln? Gibt es das Böse?) mit Staatsphilosophie (Wie soll das ideale Staatswesen aussehen?), mit der Anthropologie (Was ist der Mensch überhaupt?) und mit der Metaphysik (Gibt es etwas jenseits der menschlichen Welt? Gibt es Gott? Und wenn ja, wieviele….?).

Die Philosophenschule von Raffael (Stanzen, Vatikan) 1506 (wikimedia commons)

Flyer

Einen Flyer über den Philosophieunterricht in den Jahrgängen 11 und 12 können Sie hier herunterladen.